18.05.22 21:00 Eintracht Frankfurt - Rangers FC 6:5 n.E. (1:1), Estadio Ramon Sanchez Pizjuan, Europa League Finale, 38.842 Zuschauer
Europapokalsieger 2022 - Eintracht Frankfurt. Einfach mal sacken lassen. Drei Tage sind nach der historischen Nacht vergangen und auch wenn mir mittlerweile bewusst ist, dass wir diesen verdammten Pokal tatsächlich gewonnen haben, sitze ich mit nem Cerveja an der Algarve und kann irgendwie immer noch nicht so richtig einordnen, was das wirklich bedeutet. Wie groß das tatsächlich ist. Als wäre man bei der Mondlandung live dabei gewesen.
Die guten Jahre der Eintracht mit Okocha, Yeboah und Co. habe ich als Kind nur noch am Rande mitbekommen. Meine gemeinsamen Anfangsjahre mit dem Verein und die erste Zeit im Stadion waren durch den erstmaligen Abstieg und die folgenden Auf- und Abstiege geprägt. Das Pokalfinale 2006 war ein wunderbares Highlight und die knappe Niederlage tat extrem weh, da ich damals relativ sicher war, einem Titel nie wieder so nah zu kommen. Das erste internationale Spiel mit der Eintracht bei Brøndby und die Gruppenphase waren ein gern gesehener Bonus, etwas scheinbar einmaliges. 2013 dann das Erlebnis aus einer anderen Welt, mit der SGE bei der Europacup Quali im fernen Aserbaidschan. Gefolgt von der souveränen Gruppenphase mit Fahrten nach Nikosia und Bordeaux und dem bitteren Aus ohne Niederlage gegen Porto. 2017 standen wir wieder im deutschen Pokalfinale und verpassten den Titel, den wir dann 2018 nur ein Jahr später mit einer unglaublichen Mannschaft nach Frankfurt holen konnten. Alles erreicht, mehr geht nicht. Da war man sich einig. Mit dieser geilen Truppe wurde aber nicht nur die Gruppenphase des Europacup ohne Punktverlust gemeistert, sondern auch die Ukraine unsicher gemacht, Inter Mailand aus dem San Siro geschossen und Benfica bezwungen. Im Halbfinale dann das bittere Aus im Elfmeterschießen bei der Champions League Mannschaft von Chelsea. Und wieder die innere Sicherheit, dass man diesem eigentlich unerreichbaren Titel nie wieder so nahe kommen wird. Dann kam die scheiß Corona Zeit und Fußball im Stadion war unzumutbar bis unmöglich. Das Spiel gegen den großen FC Barcelona durften zum Glück wieder alle besuchen und das Erlebnis im Camp Nou (mit dem ich ehrlicherweise niemals gerechnet hätte) machte klar, dass diese Mannschaft zu allem fähig ist und nach den Siegen gegen West Ham standen wir tatsächlich im fucking Finale des Europacup.
Die Freude bei diesem Highlight dabei sein zu dürfen war riesig. Wie ein kleines Kind hab ich mich über die Zuteilung der Karte gefreut. Danke! Durch die Arbeit und allgemeines Mimimi war die Motivation auf die Reise kurz vorher aber irgendwie verflogen und auf Planung hatte ich keinen Bock. Am Abend vor der Abreise hatte ich außer dem Hinflug nach Faro noch nix gebucht. Natürlich kam ich auch später nach Hause und nachdem Mietwagen, Apartment und Rückflug gebucht und der Rucksack gepackt waren, ging es auch schon ohne Schlaf los. Beim Grenzübertritt von Portugal nach Spanien standen mir plötzlich die Tränen in den Augen. Vor Freude und Rührung das erleben zu dürfen. So stolz und nun auch wieder mächtig heiß und motiviert. Unglaublich viele Autos mit Rangers Fans wurden auf dem Weg überholt oder überholten mich. Gefühlt gab es unterwegs nur Schotten. Gut so, denn auch wenn es um die Eintracht und den Titel geht, wäre ein Spiel gegen das sinnlose Produkt der Leipziger RB Filiale ein herber Dämpfer gewesen. In Sevilla wurde direkt das Apartment angesteuert, sich schnell frisch gemacht und nach ein paar Minuten Ruhe ging es mit dem Bus zum Treffpunkt in der Stadt.
Dort angekommen ging es mit den Jungs und Mädels des EFC auch gleich wieder los in Richtung Stadion. Sehr früh waren wir mit die ersten im Ground. Da soll nochmal einer sagen wir kommen immer zu spät. Respekt an den zuständigen Caterer, denn dass bei an die 40 Grad zwei Stunden vor Anpfiff das Wasser ausverkauft war, ist schon ne reife Leistung. Beim warm machen der Mannschaften zeigte sich, dass wir mit den Rangers einen echten Gegner auf den Rängen haben sollten, bzw. hätten haben können, wenn sie denn nur öfter mal gewollt hätten. Bei uns in der Kurve machten sich Polizei und Verband mal wieder unbeliebt, indem sie einen Teil der Choreo entfernten, der die UEFA Banner überdeckte. Dass einem sowas nicht vorher einfällt, kann man vermutlich nur mit gewollter Eskalation erklären. Die Reaktion der Kurve war allerdings friedlich und gut, denn nun wurden einfach alle UEFA Banner entfernt. Problem gelöst. Die Choreo war wieder sehenswert, aber auf dem Feld ging es bescheiden los. Rode musste nämlich früh mit ner fetten Platzwunde am Kopf behandelt werden, spielte aber mit Turban weiter und scheute damit keinen Zweikampf und keine Kopfbälle - geiler Hund, der Seppl. Verwarnung dafür? Fehlanzeige. Zwar hätten wir aufgrund von deutlich mehr Torchancen führen müssen, die zum Teil aber einfach nicht zwingend genug waren und so ging es torlos in die Pause. Im zweiten Durchgang bereiteten Sow und Tuta das 1:0 für die Rangers vor und wir waren geschockt. Scheiße, aber es musste weiter gehen. Wir hatten noch Zeit und die Jungs sind zu gut und zu heiß um aufzugeben. Obwohl Lindström 0,0 Torgefahr ausstrahlt und Kamada scheiterte, waren wir am Drücker. Außerdem sorgte Hasebe nun für spürbare Sicherheit in der Abwehr. Ne exakte Hereingabe von Maschine Filip Kostic fand Rafa Borre und Tor, Tor, Tooor! Da simmer widder. Auch weil Hauge ähnlich effektiv wie sein dänischer Kollege ist und Kostic kurz vor Schluss scheiterte, passierte nix mehr und es ging in die Verlängerung. Wie im gesamten Spiel waren wir spielerisch die bessere Mannschaft, die Schotten aber physisch etwas überlegen und mit Kampf und Leidenschaft überboten sich beide gegenseitig. Wir ließen wieder einige gute Chancen liegen, bevor uns die Rangers kurz vor Ende der Verlängerung mit einer guten Möglichkeit und einem gefährlichen Freistoß fast den Todesstoß versetzten. Puuh. Zum Glück kann unser Schnapper mehr als scheinbar gut auszusehen. Kevin Trapp! Wahnsinn aber auch wie viel Power Ansgar Knauff noch hatte um den Flügel entlang zu sprinten. Die Nerven waren ähnlich strapaziert wie der restliche Körper und das erlebte bei Chelsea schwirrte unweigerlich irgendwo im Kopf rum. Allerdings war da auch die Hoffnung auf den Fußballgott. Zum einen weil Jürgen Grabowski nun an seiner Seite sitzt und zum anderen weil wir ohne Niederlage durch den Wettbewerb marschiert sind, da kann man doch nicht im Elfmeterschießen scheitern. Rangers, Lenz, Rangers, Hrustic, Rangers, Kamada, Trapp! Trapp! Trapp! Kostic, Rangers, Borre! Borre! Borre! Jaaaaa! Aus! Sieg! Da is dat Ding! Europacup! Freude, Stolz, Fassungslosigkeit, Tränen, Jubel und Erschöpfung wechselten nun ständig die Pole-Position. Europas beste Mannschaft! Ein Lob nicht nur an unsere Mannschaft, von der sich ein Großteil nun den Beisatz "Legende" in den Ausweis schreiben lassen kann, sondern auch an die Rangers. Die haben nämlich mehr verdient als eine Kurve, die sich nicht mal die Ehrung ihres zweitplatzierten Teams ansieht, Enttäuschung hin oder her. Wir haben den Europapokal! Albern, dass man unseren Spielern das Feiern auf dem Tor verbot und es sogar absperrte, aber da zeigt sich eben, dass der Verband Scheiße und eine solche Freude von anderen, satten Mannschaften nicht gewohnt ist. Jungs, ihr habt euch unsterblich gemacht! Danke!
Irgendwann war es an der Zeit das Stadion zu verlassen um den erschöpften Körper mit Flüssigkeit zu versorgen und im Prado de San Sebastian wurde dieser grandiose Triumpf mit den vor Ort gebliebenen Leuten vom Fanclub in aller Ruhe bei ein paar Cervezas gefeiert. Per sempre Frankfurt!
Um 06:30 war ich nach 48 Stunden ohne Schlaf im Apartment und beschloss beim eigentlichen Check-out völlig übermüdet einfach noch ne Nacht dran zu hängen. Als Europacup Sieger muss man sich schließlich auch mal was gönnen. Nachmittags ging es zum Einkaufen und die unerträgliche Hitze ließ die Besichtigung der Stadt nach hinten rücken. Duschen, essen, trinken und faulenzen standen stattdessen auf dem Plan. Als es abends etwas angenehmer war, ging es in die Stadt und das hat sich auf jeden Fall gelohnt. Eine sehr schöne Stadt, in der wir da den Europacup gewonnen haben.
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